Schon gemerkt? Facebook ist mal wieder nicht wiederzuerkennen. OK, es ist immer noch blau, es gibt immer noch Katzenbilder und noch immer wird vor geheimnisvoll gefährlichen Änderungen der Geschäftsbedingungen gewarnt, die nichts mit den eigentlichen Fragen des Datenschutzes zu tun haben.
Machen Sie einen Test: Rufen Sie über Ihr Tablet, Ihren Rechner und Ihr Telefon gleichzeitig Facebook auf. Sie werden sehen: 3 unterschiedliche Bilder! Was ist da los? Nein, Sie leiden nicht unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Da sind Algorithmen an der Arbeit. Sie waren mit Ihrem Tablet einen Monat nicht bei Facebook? Dann sieht Ihre Timeline dort wahrscheinlich anders aus als auf dem Telefon, mit dem sie vor 5 Minuten noch online waren. Was da genau passiert ist so geheim wie das Coca-Cola Rezept oder der Google Algorithmus. Und ändert sich so oft wie letzterer.
Facebook sortiert die News schon seit Jahren. Es ist einfach zu viel los und wenn die User den Überblick verlieren, kommen sie nicht wieder. Also wird permanent die Relevanz gemessen, die Auswahl dem Userverhalten angepasst und die Welt so dargestellt, wie sie uns interessiert. Da ist zunächst nichts Schlimmes dran. Das ist auch eine Art Service und am Ende funktioniert menschliche Wahrnehmung genau so.
Ein zweites nicht unerhebliche Detail kommt dazu: Der Platz für die „echt relevanten“ Nachrichten ist stark reduziert worden. Optisch fällt das zunächst nicht auf. Aber schauen sie mal wie viele suggested Posts – also bezahlte Posts in Ihrer Timeline sind. Diese reduzieren notwendigerweise die Inhalte, die anhand der authentischen Interessen des Users ausgewählt wurden. Ein Suggested Post ist – bei allem Targeting – ein Post, dessen Rang von Mediageldern mitbestimmt wurde.
Was bedeutet das für das Marketing auf Facebook? Es gibt keine automatische Präsenz mehr – es geht um mathematisierte Attraktivität. Diese hat ganz klare Hierarchien:
1. Reichweite = Relevanz x Relevanz x Relevanz
Es ist noch nicht lange her, da machte es nicht viel, wenn ein einzelner Post mal nicht so gut war. Doch die Relevanz Konkurrenz wächst immer weiter – und die Facebook Algorithmen steigern diesen Wettbewerb noch, weil weniger Platz für echte Relevanz verfügbar ist. Die Summe aller Posts eines Teilnehmers beeinflusst seine Chancen von Facebook gezeigt zu werden. Ein vermeintlich harmlos netter Post der keine Interaktion auslöst kann die Chancen deutlich verschlechtern, mit guten Posts überhaupt bei den Fans in der Timeline zu erscheinen.
Vergessen wir nicht: Marken rangieren auch bei Fans noch hinter dem engen Freundeskreis. Die Marke muss hier mit nachhaltiger Qualität der Posts punkten.
2. Gekaufte Reichweite
Haben sie den Aktienkurs von Facebook gesehen? Ganz offensichtlich ist die Börse auch bei Facebook. Und hat gesehen, wie viele Werbemöglichkeiten es dort mittlerweile gibt. Besonders interessant sind natürlich suggested Posts. Bezahlte Posts, die getargetet werden. Sie verkaufen Müsliriegel? Kann sein, dass die Timelines Ihrer Fans gerade mit Suggested Posts von Schokoriegeln „verstopft“ sind.
3. „Wieder“ erlaubte Mechaniken
Früher wurden diese unterbunden, allem Anschein nach, um der Menge der „gratis“ kommerziellen Botschaften in Facebook Grenzen zu setzen. Doch heute hat alles was halbwegs werblich ist hat über den Algorithmus nur noch als Suggested Post (oder Anzeige am Rand) eine relevante Chance auf Reichweite. Also braucht es diesen Filter nicht mehr, der konsequenterweise gestrichen wurde.
Vor Jahren wurde spekuliert, Facebook könnte über Social Search Google den Rang ablaufen. Das ist nicht eingetreten. Stattdessen ist Facebook auf andere Art und Weise Google ähnlich geworden: der Algorithmus regiert, Relevanz kann „gekauft werden“ und das viel geschmähte Businessmodell zeigt seine Ertragskraft. So sind sich die beiden Internetriesen sehr ähnlich geworden ohne im Gebiet des Konkurrenten zu sehr zu wildern. Google gibt Antworten, Facebook sagt was los ist. Klingt sehr ähnlich, ist aber was anderes.
Für das digitale Marketing bedeutet dies, dass sich für das Performance Marketing eine neue Tür geöffnet. Bis vor kurzem haben wir Social Media Marketing noch mit recht viel Kreativität assoziiert, es war quasi das „gallischen Dorf der Mediaplanung“. Das ist vorbei. Ring frei zur nächsten Marketingrunde in der digitalen Welt. Es wird nicht die letzte sein.